Parldigi Verein: MODIG Vernehmlassungsantwort
Themen: Allgemein, Digitale Nachhaltigkeit, Mobilität, Vernehmlassung
Parldigi Verein: MODIG Vernehmlassungsantwort
Bis 3. Mai 2022 ist der Gesetzesentwurf zur Mobilitätsdateninfrastruktur des Bundesamtes für Verkehr (BAV) in der Vernehmlassung gewesen. Das vorgesehene Mobilitätsdateninfrastrukturgesetz (MODIG) dient mit seinem Fokus auf die langfristige Zugänglichkeit der Daten, Services und Software der digitalen Nachhaltigkeit in der Schweiz – dem Kernanliegen des Vereins Parldigi.
Gegenstand der Vernehmlassungsvorlage war ein neues Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur. Die Schaffung dieser staatlichen Dateninfrastruktur mit den Hauptbestandteilen NADIM und Verkehrsnetz CH soll die Nutzung von Mobilitätsdaten und die Vernetzung von Mobilitätsangeboten erleichtern und damit einen Beitrag für ein effizientes Mobilitätssystem der Schweiz leisten. Die vorliegende Vernehmlassungsantwort greift die Punkte auf, die der Verein Parldigi als besonders begrüssenswert erachtet und thematisiert diejenigen Passagen, die im Sinne der digitalen Nachhaltigkeit noch verbessert werden sollten:
Inhaltliche Rückmeldungen des Vereins Parldigi zum MODIG
1. Veröffentlichung von allen Mobilitätsdaten als Open Government Data
Forderung: Alle Mobilitätsdaten, die bei öffentlich finanzierten Akteuren bestehen und nicht aus Datenschutzgründen oder Sicherheitsbedenken geheim gehalten werden müssen, sollen im Rahmen des MODIG als Open Government Data (OGD) freigegeben werden. Dazu soll der Artikel 6 umbenannt und mit einem neuen Absatz 4 ergänzt werden, der sich auf alle öffentlich finanzierten Mobilitätsdaten fokussiert:
Art. 6 Kerndaten Daten der MODI NADIM
1 Die Datenlieferantinnen und -lieferanten müssen einen minimalen Bestand jener Mobilitätsdaten liefern, die für das Funktionieren der NADIM erforderlich sind (Kerndaten).
2 Der Bundesrat legt die Rahmenbedingungen für die Lieferung der Kerndaten fest.
3 Die Kerndaten der MODI werden als Open Data mittels der NADIM zugänglich gemacht.
NEU: 4
Alle Mobilitätsdaten der öffentlichen Hand, die nicht aus Datenschutz- oder Sicherheitsgründen vertraulich behandelt werden müssen, werden also Open Government Data zugänglich gemacht.
Begründung: Im erläuternden Bericht werden Open Data und OGD mehrfach erwähnt, weil diese das Potential der Datennutzung erschliessen lassen und damit einen wesentlichen Bestandteil des MODIG ausmachen. Insbesondere wird die kostenlose Freigabe der Mobilitätsdaten als OGD gemäss den Erläuterungen in den Abschnitten 4.1.5.4 «Open Data / Kosten» und 4.1.6.1 «Open Data / Open Government Data» thematisiert. Dort wird darauf eingegangen, dass die relevanten Mobilitätsdaten in der Regel als Open Data resp. OGD für alle Beteiligten «kostenlos, in maschinenlesbarer Form und in einem offenen Format zur freien Weiterverwendung» zugänglich gemacht werden sollen.
Diese wichtigen Überlegungen sind im Gesetzesentwurf allerdings nur marginal eingeflossen. Aktuell besagt Art. 6 Abs. 3, dass bloss die «Kerndaten» als Open Data zugänglich gemacht werden sollen. Dies umfasst nicht alle weiteren Daten, die im Verkehrssektor ebenfalls von grosser Relevanz sind. Dieser neue Absatz 4 dient dazu, die zentrale Freigabe von Behördendaten unmissverständlich im MODIG festzuschreiben.
Im geplanten «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» (EMBAG) ist ein Artikel 10 zu «Open Government Data» vorgesehen und umfasst dabei den Grundsatz «Open by Default». Diese wesentliche Vorgabe sollte im MODIG explizit wiederholt werden, da es sich dabei um ein Gesetz handelt, das hauptsächlich die digitale Infrastruktur betrifft und deshalb unmissverständlich diesen Grundsatz betonen muss.
2. Neuer Artikel zur Freigabe von digitalen Ressourcen
Forderung: Die im Rahmen des «Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur» (MODIG) bzw. der «Nationalen Datenvernetzungs-Infrastruktur Mobilität» (NADIM) entstehenden digitalen Ressourcen (Daten, Software, Schnittstellen, Standards, Dokumentation etc.), die durch öffentliche Gelder finanziert wurden, sollen grundsätzlich unter einer offenen Lizenz frei zugänglich publiziert werden. Dazu wird ein neuer Artikel 8 vorgeschlagen:
Art. 8 Freigabe von digitalen Ressourcen (NEU)
1 Die im Rahmen der MODI erstellten und durch die öffentliche Hand finanzierten digitalen Ressourcen (Daten, Software, Schnittstellen, Standards, Dokumentation) werden unter passenden offenen Lizenzen freigegeben, sofern andere Rechte dies nicht einschränken.
Begründung: Die digitale Infrastruktur besteht neben Daten auch aus weiteren digitalen Ressourcen wie Software, Schnittstellen, Standards, Prozessdokumentationen, Spezifikationen etc. Eine solche Freigabe von digitalen Gütern unter offenen Lizenzen (siehe https://opendefinition.org/od/1.1/de/) schaffen digitale öffentliche Güter, weil diese Ressourcen von anderen Behörden, Unternehmen und weiteren Akteuren uneingeschränkt genutzt und gemeinsam weiterentwickelt werden können. Dies trägt zu Erreichung der Zielsetzungen des MODIG bei (siehe «Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens» Seite 2):
«Die MODI ist unabhängig, verlässlich, offen, nichtdiskriminierend, transparent, nicht gewinnorientiert, von hoher Qualität und technisch flexibel ausgestaltet.»
Die Veröffentlichung von digitalen Ressourcen fördert die Unabhängigkeit («digitale Souveränität») und Nicht-Diskriminierung der MODI, weil so Behörden, Unternehmen und die Zivilgesellschaft bspw. die entwickelten Software-Module und Schnittstellen selbständig nutzen und weiterentwickeln können. Gleichzeitig ermöglicht bspw. der Einblick in den Quellcode die Transparenz der Algorithmen (wichtig bspw. beim Open Journey Planner OJP, erwähnt in den Erläuterungen) und erhöht damit die Qualität und Sicherheit der digitalen Infrastruktur. Und nicht zuletzt reduziert die gemeinsame Weiterentwicklung von digitalen Ressourcen wie Open Source Software auch die Kosten der Mobilitätsdatenanstalt der Bundes (MDA), da durch die Wiederverwendung der Komponenten und Anwendungen der MODI Ausgaben für die Software-Entwicklung gespart werden können.
So steht auch dieser neue Artikel auch im Einklang mit dem geplanten «Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» (EMBAG), das den Artikel 9 «Open Source Software» diesbezüglich vorsieht. Damit ist eine generelle Freigabe von Software unter Open Source Lizenzen vorgesehen. Diese Vorgabe sollte im MODIG wiederholt werden, da es sich dabei um ein Gesetz handelt, das hauptsächlich die digitale Infrastruktur betrifft. Wichtige Grundsätze wie die Freigabe von digitalen Ressourcen sollten darin explizit erwähnt werden, damit die im Rahmen des MODIG entwickelte Software tatsächlich unter Open Source Lizenzen freigegeben wird.
3. Hohe Ausgaben für MODI und MDA
Feststellungen: Wie in den Erläuterungen im Abschnitt 6.1.2.4 «Gesamtbedarf Finanzen und Personal MODI» dargelegt, werden für die Umsetzung der MODI mit der MDA im Rahmen der NADIM sowie dem Verkehrsnetz CH insgesamt 31 bis 28 Millionen CHF pro Jahr erwartet. Diese zugegebenermassen hohen Kosten werden unter anderem durch die rund 70 neuen Stellen verursacht. Diese Finanzierung gewährleistet die Professionalität, die für die hohe Verfügbarkeit und Qualität der komplexe Dateninfrastruktur notwendig ist.
Dem gegenüber steht die erwartete zusätzliche Wertschöpfung in der Schweiz, die gemäss Abschnitt 6.3 «Auswirkungen auf die Volkswirtschaft» auf über 1.3 Milliarden CHF pro Jahr geschätzt wird. Dieses hohe Wachstum an volkswirtschaftlicher Leistung erstaunt nicht, denn Verkehrsdaten gelten weltweit als sogenannte «High Value Datasets», also Daten von grosser wirtschaftlicher Bedeutung.
Inhaltlich entsteht der hohe Nutzen durch die verbesserte Auslastung von Schienen und Strassen sowie durch die Ermöglichung von neuen Innovationsleistungen durch Technologie-Unternehmen, die neue Services und Produkte basierend auf den Mobilitätsdaten entwickeln und betreiben können. Vor diesem Hintergrund wird die Kosten-Nutzen-Abwägung der vorliegenden Finanzierung der MODIG-Umsetzung als sinnvoll erachtet. Neben dem wirtschaftlichen Mehrwert fördert das neue Gesetz auch die Digitalisierungsbemühungen in der Schweiz und schafft einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft (bspw. Sammeltaxis und Rufbusse) und die Umwelt (bspw. einfachere Nutzung des öffentlichen Verkehrs).
Fragen: Dennoch stellen sich einige Fragen, die es aus unserer Sicht zu beantworten sind:
1. Gibt es andere Wege, dieselben Ziele mit weniger eigenem Personal zu erreichen?
2. Handelt es sich um zusätzliche Stellen oder werden Stellen bei Bundesämtern, kantonalen Behörden oder anderen Organisationen übernommen?
3. Kann eine fortschreitende Automatisierung längerfristig zu einer Reduktion eines Teils dieser Aufwände führen?
4. Können die Datenlieferanten nicht stärker in die Pflicht genommen werden, so dass weniger Integrationsbemühungen zu leisten sind?
5. Wie soll der Bund als Eigner mit der aktuellen Struktur mit einem rein externen Verwaltungsrat sicherstellen, dass seine Mittel wirklich haushälterisch verwendet werden? Müsste er dazu nicht mehr Kontrolle behalten?
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