Willkür bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Massnahmen des Bundesrates
Dieser Antrag wurde eingereicht von:
12.06.2009 - 09.3675
Stufe: Nationale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt
Eingereichter Text
1. Welche grösseren Bundesaufträge wurden in den letzten zwei Jahren an private Unternehmen vergeben, und welche Unternehmen profitierten nach welchem Zuschlagsverfahren von solchen Aufträgen (bitte in einer Übersicht darstellen)? Besonders von Interesse sind dabei freihändig vergebene Aufträge.
2. Wie begründet und beurteilt der Bundesrat die freihändige Vergabe von verschiedenen Grossaufträgen an Microsoft seitens der Bundesverwaltung und der SBB als bundeseigener Betrieb?
3. Welche Konsequenzen und Massnahmen wird der Bundesrat ergreifen, falls sich herausstellt, dass diese Auftragsvergaben nicht im Einklang mit dem BoeB und VoeB geschehen sind?
4. Wird es für die Vergabe der Infrastruktur- und der Informatikprojekte im Zusammenhang mit der Einführung des biometrischen Passes neue Ausschreibungen geben? Wenn nein, warum nicht?
Begründung
Dem Bundesrat liegt die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs als Voraussetzung für eine gesunde Wirtschaft sehr am Herzen. Zu diesem Zwecke unterhält er sogar eine Wettbewerbskommission (Weko), weIche die Privatwirtschaft kontrolliert, Projekte prüft, absegnet oder verbietet und Unternehmen gegebenenfalls bestraft. Der Bund selbst und seine Behörden haben als Auftraggeber in grossem Umfang eine ganz besonders wichtige Vorbildfunktion gegenüber der Wirtschaft und eine hohe Verantwortung gegenüber dem Volk als Zahler dieser Projekte. Leider scheint der Bund dieser Funktion und Verantwortung nicht gewachsen zu sein, sodass das Bundesverwaltungsgericht die freihändige Vergabe eines 42-Millionen-Franken-Auftrages an Microsoft stoppen musste.
Antwort des Bundesrates vom 26.08.2009
Der Bundesrat hält vorweg fest, dass die Weko nicht nur für private Unternehmen zuständig ist, sondern auch für die Überprüfung der Geschäftstätigkeit des Bundes. Vorausgesetzt ist jedoch in beiden Fällen die kartellrechtliche Relevanz der Tätigkeit.
Die Beschaffungen der Bundesverwaltung erfolgen nach den Prinzipien und Vorgaben des Beschaffungsrechts. Die Vergabestellen wählen für ihre Beschaffungsvorhaben jeweils das adäquate und beschaffungsrechtskonforme Vergabeverfahren. Grundsätzlich sind alle Beschaffungen nach dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB; SR 172.056.1) ab dem jeweils einschlägigen Schwellenwert im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) zu publizieren, unabhängig vom gewählten Vergabeverfahren (sogenannte WTO-Beschaffungen). Diese WTO-Beschaffungsvorhaben werden regelmässig im offenen oder selektiven Vergabeverfahren öffentlich ausgeschrieben und allein in den vom Beschaffungsrecht vorgesehenen Ausnahmegründen freihändig vergeben. Die Verfahren unterstehen dem Rechtsmittelschutz der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht in erster und an das Bundesgericht in zweiter Instanz.
1. Der Bund führt keine Beschaffungsstatistik entsprechend den von den Interpellanten erfragten Kriterien. Der Aufbau der Statistik Beschaffung ist jedoch am Laufen. Ab 2010 kann mit einer neuen Statistik zu den Beschaffungszahlen ab 2009 gerechnet werden. Der Bundesrat beschränkt sich daher bei der vorliegenden Antwort allein auf Zahlen des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD), des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL).
Der Bereich Logistik des BBL beschafft im Auftrag der Verwaltungseinheiten zentral für die gesamte Bundesverwaltung Informatik- und Telekommunikationsmittel, Publikationen, Büroausrüstung sowie die Raumausstattung.
In der beiliegenden Übersicht der Vergaben des BBL der Jahre 2007 und 2008 (Beilage) sind die vom BBL abgewickelten WTO-Vergaben abgebildet, unter Aufführung des jeweiligen Vergabeverfahrens, des berücksichtigten Anbieters sowie des Zuschlagbetrages. Grossmehrheitlich erfolgen Beschaffungen im offenen oder selektiven Verfahren. Freihändige Vergaben sind die Ausnahme, die dann zum Tragen kommen, wenn der Wettbewerb nicht spielt oder andere, gesetzliche Gründe die direkte Auftragsvergabe vorsehen, so etwa Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, technische Besonderheiten des Auftrages, Gründe des Schutzes geistigen Eigentums, bei dringlichen Beschaffungen oder Folgebeschaffungen. Für die freihändigen Vergaben liegen die gesetzlich vorgeschriebenen Begründungen vor.
Sämtliche vom BBL erteilten Zuschläge, auch diejenigen im freihändigen Vergabeverfahren, werden im amtlichen Publikationsorgan SHAB (Schweizerisches Handelsamtsblatt) veröffentlicht und geniessen den Rechtsmittelschutz der Beschwerdemöglichkeit. Gegen freihändige Vergaben des BBL sind in den Jahren 2007 und 2008 keine Beschwerden erhoben worden.
2. Bereits Anfang der 1990er Jahre, vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, wurden in der Bundesverwaltung diverse Software-Produkte der Firma Microsoft breit eingesetzt.
Anfang 2009 erteilte der Bund Microsoft den Zuschlag für die Fortsetzung der Wartung und den Support des standardisierten Arbeitsplatzes des Bundes (BAB). Die Erneuerung des Vertrages bewirkt keine Ausweitung der beschafften Leistungen. Aus Gründen der Immaterialgüterrechte und des technischen Know-hows können jedoch Wartungsleistungen an eingesetzten Produkten grundsätzlich allein von der Herstellerin bzw. der Rechtsinhaberin erbracht werden. Die freihändige Vergabe der Verlängerung eines bestehenden Vertrages erfolgte denn auch unter Abstützung auf die den freihändigen Verfahren zugrunde liegenden Kriterien, insbesondere die Kriterien der technischen Besonderheit des Auftrags sowie des Schutzes des geistigen Eigentums.
Die zeitliche Koinzidenz mit der Vergabe der SBB an Microsoft ist zufällig. Die Vergabe der SBB hat zu keinen Beanstandungen geführt. Der Zuschlag ist inzwischen in Rechtskraft erwachsen.
3. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Erteilung des Zuschlags an Microsoft rechtsmässig erfolgt ist. Er hat zur Kenntnis genommen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Beschwerdesache Open Source Software gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft mit Entscheid vom 2. Juli 2009 das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen hat. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache selbst ist nun abzuwarten. Der Bundesrat wird anschliessend prüfen, ob allfällige Massnahmen zu treffen sind.
4. Für die Vergabe der Infrastruktur- und der Informatikprojekte im Zusammenhang mit der Einführung des biometrischen Passes stehen zurzeit keine Ausschreibungen an, da diese bereits erfolgt sind. Im Rahmen des Projektes zur definitiven Einführung elektronischer Pässe per 1. März 2010 erfolgte im Jahr 2007 eine öffentliche Ausschreibung nach den Regeln des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB; SR 172.056.1). Mit dieser Ausschreibung wurde die notwendige Infrastruktur zur Beantragung von Pässen mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten beschafft; Publikumsdatum im SHAB: 22. November 2007.
Der Bundesrat verweist auf seine Antwort auf die Motion 09.3507 der SVP-Fraktion vom 5. Juni 2009 (Vergabe der Biometrie-Infrastruktur des neuen Passes. Neue Ausschreibung), wonach er den Anliegen der Motionäre grundsätzlich positiv gegenüber stehe und diese bei einer weiteren Beschaffung im Bereich der Biometrie prüfen werde.