Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes
Dieser Antrag wurde eingereicht von:
Edith Graf-Litscher
Nationalrätin
Eingereicht am: 13.04.2011
13.04.2011 - 11.3358
Stufe: Nationale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt
Seit der Inkrafttretung des Öffentlichkeitsgesetzes am 1. Juli 2006 haben alle Personen die Möglichkeit, Informationen und Dokumente der Bundesversammlung zu erhalten, solange diese nicht die Privatsphäre verletzen oder die Sicherheit des Landes gefährden. Dies ist hinsichtlich der transparenten Verwaltungsführung zu begrüssen.
Allerdings hat das Institut de hautes études en administration publique (IDHEAP) in einer Evaluation des Öffentlichkeitsgesetzes vom 24. April 2009 festgestellt, dass nur wenige Bürgerinnen und Bürger das Gesetz in Anspruch nehmen und dieses entsprechend kaum zu mehr Transparenz beiträgt. Ausserdem sei nicht bekannt, mittels welchem Verfahren entschieden wird, was freigegeben wird und was nicht. Des Weiteren stellen sich bei der Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes zusätzliche praktische Probleme:
Einerseits ist nicht vollumfänglich bekannt, über welche Datenbestände die Behörden überhaupt verfügen, sodass diese auch nicht erfragt werden können. Andererseits ist bei jeder Anfrage mit längeren Antwortzeiten und einer möglichen Absage zu rechnen. Des Weiteren sind gemäss Antwort des Bundesrates auf meine Frage vom 2. März 2011 die Datenbestände der Bundesverwaltung über die zahlreichen Websites der jeweiligen Departemente und Ämter verteilt. Schliesslich entsteht für die Behörden unnötiger Mehraufwand, wenn unterschiedliche Personen Zugang zu denselben Daten beantragen. Auf Grund dieser Sachlage bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:
- Nach welchen Kriterien und Vorgängen wird entschieden, welche Informationen und Dokumente ohne äussere Einwirkung frei veröffentlicht werden und welche Daten erst auf Anfrage mittels Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes freigegeben werden?
- In wieweit wurde geprüft, ob ein bestehendes oder neues Web-Portal der öffentlichen Verwaltung als zentraler Zugang der offen zugänglichen Datenbestände dienen kann?
- Wie beabsichtigt der Bundesrat die proaktive Veröffentlichung von Behördendaten als Open Government Data weiter zu fördern und die Bevölkerung diese Dienstleistung bekannt zu machen?
Antwort des Bundesrates vom 29.06.2011:
1. Das Öffentlichkeitsgesetz regelt, wer unter welchen Voraussetzungen Zugang zu amtlichen Dokumenten erhält. Es hat somit die passive Informationspflicht staatlicher Institutionen (nach dem „Hol-Prinzip“) zum Gegenstand. Die aktive Informationspflicht ist demgegenüber in Artikel 180 der Bundesverfassung verankert. Diese Bestimmung beauftragt den Bundesrat, die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend über seine Tätigkeit zu informieren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Konkretisiert wird diese Informationspflicht in Artikel 10 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; SR 172.010). Demnach versorgt der Bundesrat die Bundesversammlung, die Kantone und die Öffentlichkeit mit einheitlichen, frühzeitigen und kontinuierlichen Informationen über seine Lagebeurteilungen, Planungen, Entscheide und Vorkehren. Der Regierung kommt jedoch ein erhebliches Ermessen in der Ausübung und Ausgestaltung ihrer Informationstätigkeit zu. Von diesem Ermessen macht der Bundesrat Gebrauch, indem er fallweise entscheidet, welche Dokumente aus eigenem Antrieb zur Verfügung gestellt werden. Die Verwaltungseinheiten entscheiden in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich selbstständig, welche Informationen und Dokumente sie der Öffentlichkeit unaufgefordert zugänglich machen. Die Ausscheidung der Dokumente, die aus eigenem Antrieb zur Verfügung gestellt werden, erfolgt in aller Regel von Fall zu Fall, wobei die Bedeutsamkeit und die politische Brisanz eines Geschäfts eine wichtige Rolle spielen. Die Behörden sind im Übrigen verpflichtet, über die verfügbaren amtlichen Dokumente Auskunft zu erteilen (Art. 3 Öffentlichkeitsverordnung).
2. Der Bundesrat hat die Einrichtung eines Single Point of Orientation (SPO) zu einem seiner Ziele für 2011 erklärt. Bis Anfang 2012 erarbeitet das Schweizerische Bundesarchiv ein entsprechendes Pilotprojekt, dessen Resultate in einem Bericht an den Bundesrat vorgestellt werden. Ein SPO soll sowohl eine bürgerfreundliche Übersicht über die Unterlagen der Bundesverwaltung als auch eine einfache Gesuchstellung und -bearbeitung sowie den raschen und digitalen Zugriff auf die Unterlagen für die Berechtigten durch die zuständigen Bundesstellen ermöglichen. Er erfüllt damit die Funktion eines im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geforderten zentralen Registers der amtlichen Dokumente und schafft für Bürgerinnen und Bürger einen massgeblichen Orientierungspunkt und Zugangsservice unter Einhaltung der gegebenen (dezentralen) Entscheidkompetenzen.
3. Der Bundesrat betrachtet das heutige Zusammenspiel von aktiver und passiver Information als guten Mittelweg, der einerseits den Zugang zu allen wichtigen Dokumenten ermöglicht, gleichzeitig aber auch die Öffentlichkeit vor einer unnötigen Informationsflut bewahrt. Die Internetseiten des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten informieren im Übrigen an zentraler Stelle umfassend über das Öffentlichkeitsgesetz. Der Bundesrat hat zurzeit keine weiteren Massnahmen vorgesehen, um die Zugänglichkeit von Dokumenten und die Verfahrensmodalitäten noch bekannter zu machen.