Open Source Software mittels Lernstick
Eingereichter Text
An der Parlamentssitzung vom 21. Mai wurde das Postulat „Open Source Software an Schulen“ als erledigt abgeschrieben. Wie an dieser Sitzung bekannt wurde, hat der Stadtrat den Postulatsauftrag falsch verstanden. Das vorliegende Postulat geht in die gleiche Richtung, jedoch mit einem klaren, projektbezogenen Auftrag.
Im oben genannten Postulat wurde Open Source Software folgendermassen erklärt: „Open Source Software OSS sind quelloffene, nicht herstellergebundene Software. Profit erwirtschaftet wird mit OSS in aller Regel nicht über Lizenzgebühren, sondern mittels Dienstleistungen. Sie demonstrieren eindrücklich die Tauglichkeit selbst bei kritischen Grossprojekten. Durch die Anwendung von OSS wird gewährleistet, dass die Schüferlnnen auch auf dem PC zu Hause legal und kostenlos die in der Schule eingeübte Software verwendfen können.“
Kindern und Jugendlichen fällt der Umgang mit Computern meist leichter als Erwachsenen. Die Einführung von OSS dürfte daher für Schülerinnen nur wenige Probleme bereiten. Es gibt einen von Educa entwickelten Lernstick. Dieser sieht aus wie ein gewöhnlicher USB-Stick. Er ist jedoch ein Lern- und Arbeitsinstrument für Lehrpersonen und Lernende. Darauf gibt es 140 lizenzfreie Programme für den Unterricht, also Open Source Software. Dies sind Lernprogramme, Multimedia-Software, Spiele, Programme für die digitale Bildbearbeitung und vieles mehr.
Die Idee eines solchen Sticks ist es, dass jede Schülerin, jeder Schüler, einen solchen Stick hat. Er oder sie kann ihn also in der Schule sowie auch zu Hause verwenden. Es braucht weder eine Umstellung der Betriebssoftware noch generiert er hohe Kosten.
Der Lernstick wird in der Schweiz bereits an 35 Schulen eingesetzt.
Auftrag:
Der Stadtrat wird dazu eingeladen, über die Möglichkeiten eines Pilotprojekts für den Lernstick mit Open Source Software Bericht zu erstatten und gegebenenfalls Antrag zu stellen.
Antwort des Stadtrats
Wir beantragen Ihnen, folgenden Beschluss zu fassen: Das Postulat „ Open source Software mittels Lernstick“ wird nicht erheblich erklärt.
Pascal Kübli und Michael Hugentobler sowie 41 mitunterzeichnende Mitglieder des Stadtparlamentes reichten am 11. Juni 2013 das beiliegende Postulat „Open source Software mittels Lernstick“ ein.
Der Stadtrat nimmt zur Frage der Erheblicherklärung wie folgt Stellung:
1 Ausgangslage
Am 21. Mai dieses Jahres hat das Stadtparlament das Postulat „ Open Source Software an Schulen der Stadt St.Gallen“ als erledigt abgeschrieben. Sämtliche Fraktionssprecherinnen und –sprecher haben die Haltung des Stadtrates, auf einen Pilotversuch mit Open Source Software zu verzichten, unterstützt. Massgebend für dieses Verständnis waren insbesondere die zu erwartenden hohen Kosten, die ungelösten Fragen zur EDV-Sicherheit und der nicht nachweisbare pädagogische Wert dieses Pilotversuches.
Im Postulatsbericht wurde die Möglichkeit des Einsatzes eines Lernsticks nicht explizit erörtert. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass sich sicherheitstechnische Fragen unabhängig davon stellen, wie Open Source Software – Produkte auf Verwaltungs-, Schul- oder auch privaten PCs geladen werden. In den meisten Fällen wird „ Open Source Software“ direkt aus dem Internet heruntergeladen; Sticks oder auch DVDs sind aber gängige und auch gebräuchliche Alternativen. Die technischen Herausforderungen sind dieselben. Der im Postulat erwähnte Lernstick kann zu günstigen Konditionen (aktuell ca. CHF 50 pro Stück) gekauft werden. Über einen USB-Anschluss kann er in jeden beliebigen Computer eingesteckt werden. Ob auf dem Computer ein Betriebssystem von Windows oder ein anderes Produkt installiert ist, spielt keine Rolle, denn der Lernstick nutzt sein eigenes, vorinstalliertes Betriebssystem. Damit kann der Stick mit sämtlicher darauf installierter Lernsoftware grundsätzlich an jedem Computer zu jeder Zeit genutzt werden. Prima vista ist eine solche Nutzung sehr attraktiv; sie hat aber ihre technischen Tücken und wirft pädagogische Fragen auf.
2 EDV – Sicherheit
Mit grossem Aufwand wurde in den vergangenen Jahren ein nach aussen weitgehend abgesichertes, gut funktionierendes und bezüglich der Wartung günstiges Informatiksystem sowohl für die Verwaltung als auch für die Schulen installiert. Die Vereinheitlichung des Angebots an Software, welche auch in anderen Städten üblich ist, hat für die Schulen den Vorteil, dass jederzeit sämtliche vom Kanton vorgegebene Standardsoftware zur Verfügung steht und sich die Schülerinnen und Schüler auch mit Office-Produkten auseinandersetzen können, welche an weiterführenden Schulen oder in der Berufslehre Grundlage sind. Diese zentral gesteuerte Lösung ist zudem äusserst kostengünstig, da bei auftretenden Schwierigkeiten auch zentral Support geleistet werden kann.
Mit dem Einsatz eines Lernsticks an Schulen, der beliebig auch an privaten PCs genutzt und entsprechend verändert werden kann, würden sich massive Sicherheitsprobleme stellen. Die Gefahr, dass sich Viren oder Manipulationen sofort auf das gesamte Schulnetz ausbreiten, ist realistisch.
Das Schulnetz wurde nach der Umstellung auf CUBO2 von „ Compass security“ , einer externen Firma, eingehend geprüft. Abgestützt auf ihr Management Summary wurden diverse Schwachstellen und Bedrohungsszenarien mit der Einführung von EMAN2 eliminiert. So ist beispielsweise das Booten ab Stick gesperrt und Port-Scans sind nicht möglich. Mit dem Einsatz der Lernsticks müssten diese Schranken, aber auch andere Sicherheitsmassnahmen aufgehoben werden. Ein Angriff auf das gesamte System wäre denkbar. Viren und Trojaner könnten implantiert oder auch der Zugang zu privaten Daten eröffnet werden. Die Konsequenzen wären fatal, da möglicherweise auch Lehrer-PCs und damit auch die Verwaltung tangiert sein könnten.
Dieses Risiko kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn einzelne PCs aus der gesamten Infrastruktur der Stadt herausgelöst und als Übungsplattform den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden. Es leuchtet ein, dass die Umsetzung einer solchen Variante nur in sehr bescheidener Form möglich wäre, da sie in jedem Fall die Anschaffung zusätzlicher Hardware voraussetzt.
3 Pädagogik
Nebst der EDV-Sicherheit sind aber auch pädagogische Überlegungen entscheidend. Aktuell sind auf den handelsüblich erhältlichen Sticks ca. 140 Open Source – Lernsoftwares installiert. 50 davon sind blosse Spiele, etliche unterstützen die Büroautomation, Grafik oder auch Multimedia. Als klassische Lernsoftware können ca. 30 Programme eingestuft werden. Die vom Kanton verbindlich vorgesehene Lernsoftware fehlt selbstredend, da diese nicht als Open Source Software – Produkt zur Verfügung steht.
Die Fülle an Programmen – darunter viele Spielprogramme – kann Schülerinnen und Schüler verwirren. Es mag zwar spannend sein, einmal in der angebotenen Programmvielfalt herumzusurfen, der dabei erzielte Lerneffekt ist aber fraglich. Aus pädagogischer Sicht ist es sinnvoller, sich auf einzelne wenige Produkte zu konzentrieren, diese aber den Schülerinnen und Schülern so beizubringen, dass sie in der Lage sind, sie als wirkliche Lernwerkzeuge zu nutzen. Diese vom Schulamt in Zusammenarbeit mit den IDS gelebte Haltung wird von den Lehrpersonen sehr geschätzt. Sie erklärt auch, dass bei Anträgen zur Installation von neuer Software vorerst die Arbeitsgruppe Schulinformatik, in der die Lehrpersonen bestimmend mitwirken, eine Stellungnahme abgibt. Diese Vorselektion und die damit verbundene bewusst pädagogisch legitimierte Einschränkung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine qualifizierte Förderung der Medienkompetenz.
Bereits der Postulatsbericht vom 30. April 2013 hält fest, dass schon heute die Möglichkeit besteht, nach Vorabklärungen Open Source Software zu installieren. So wurde beispielsweise der auch auf dem Stick enthaltene „ Stellarium“ bereits auf VMware eingesetzt. Auch „Geografie“ ist installiert, wie diverse andere Programme.
4 Schlussfolgerungen
Der Einsatz von Open Source-Software mittels Lernsticks, sei er flächendeckend oder auch nur in einigen Schulhäusern, kann aus Sicherheitsgründen nicht in Frage kommen. Die Sicherheitsbedenken könnten nur dann beseitigt werden, wenn „ Stand-alone“ -Stationen oder lokale, selbständige Netze geschaffen würden. Beide Varianten hätten aber zur Folge, dass der Anschluss an das allgemeine Schulnetz und damit auch die darauf installierten Programme ausgeschlossen werden müssten. Zudem würde die Installation dieser Parallelstruktur in jedem Falle zusätzliche Hardware- und damit verbunden zusätzliche Supportkosten auslösen.
Der Einsatz des Lernsticks ist pädagogisch fragwürdig. Ein Mehr an Programmen bedeutet nicht ein Mehr an Lernqualität. Die Arbeitsgruppe Schulinformatik und das Schulamt sind aber gerne bereit, von Fall zu Fall zu prüfen, ob geeignete, auch auf dem Lernstick vorhandene Software ins Schulnetz integriert werden soll.
Der Stadtrat beantragt deshalb, das Postulat nicht erheblich zu erklären.
Der Stadtpräsident: Scheitlin
Der Stadtschreiber: Linke
Beilage: Postulat vom 11. Juni 2013