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Themen: Digitale Souveränität, Microsoft, Open Source


Digitalisierungsminister aus Schleswig-Holstein zu Besuch bei Parldigi im Bundeshaus

Im März 2025 präsentierte Dirk Schrödter, Digitalisierungsminister von Schleswig-Holstein, in Bern ambitionierte Pläne zu digitaler Souveränität. Das Bundesland migriert seine 30’000 Arbeitsplätze vollständig auf Open Source Software, denn digitale Souveränität sei heute genauso kritisch wie Energieunabhängigkeit oder Verteidigung, so Schrödter. Die öffentliche Hand soll zur treibenden Kraft einer industriepolitischen Neuaufstellung im digitalen Raum werden.

Präsentation von Dirk Schrödter, Digitalisierungsminister von Schleswig-Holstein

Medienmitteilung der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein

Im Rahmen einer Veranstaltung der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit (Parldigi) am 6. März 2025 im Bundeshaus in Bern stellte der Digitalisierungsminister von Schleswig-Holstein Dirk Schrödter die strategischen Leitlinien eines umfassenden Ökosystems für digitale Souveränität vor. Auf Einladung von Nationalrat und Parldigi-Kernteam-Mitglied Gerhard Andrey betonte der Minister, dass digitale Unabhängigkeit heute ein elementarer Bestandteil staatlicher Selbstbestimmung sei – auf Augenhöhe mit der Souveränität in den Bereichen Verteidigung und Energieversorgung.

Schleswig-Holstein nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Die rund 30’000 Arbeitsplätze in der Landesverwaltung sollen mittelfristig vollständig auf Open Source Software umgestellt werden. Schrödter geht dabei mit gutem Beispiel voran: Sein eigener Arbeitsplatz basiert bereits auf quelloffenen Lösungen. Ziel sei es, selbstbestimmt, sicher und unabhängig digitale Gestaltungsmacht auszuüben.

Verwaltung als Innovationstreiber

Laut Schrödter erlebt Europa aktuell eine Zeitenwende in der öffentlichen Verwaltung. Diese müsse sich zu einem aktiven Innovationstreiber entwickeln und alle Mitarbeitenden in den digitalen Wandel einbeziehen. IT sei heute systemrelevant. Wie Polizei und Verteidigung nicht an Dritte ausgelagert würden, dürfe dies auch nicht bei zentralen IT-Infrastrukturen nicht geschehen.

Die geopolitischen Erfahrungen im Energiesektor – insbesondere im Zuge der Abhängigkeiten von russischem Gas – zeigten exemplarisch, wie kritisch Souveränität sei. Im digitalen Bereich sei die Situation heute ähnlich prekär. Eine Abhängigkeit von proprietären Cloud-Lösungen internationaler Tech-Konzerne müsse vermieden werden.

Open Source als industriepolitisches Programm

Schrödter plädiert für eine neue europäische Industriepolitik im digitalen Raum. Die heute fast vollständige Ausrichtung auf proprietäre Software verlagere die digitale Gestaltungsmacht langfristig ausserhalb Europas. Der starke Anstieg von Lizenzkosten in Deutschland sei ein klares Warnsignal. Schleswig-Holstein wolle diesen Trend umkehren: Statt US-amerikanischen Fortschritt über Lizenzzahlungen mitzufinanzieren, sollen offene Standards und Open Source gestärkt werden. Besonders innerhalb der Justiz habe das Thema grosse Resonanz ausgelöst. Unabhängigkeit sei ein fundamentaler Wert in diesem Bereich.

Ziel ist es deshalb, wieder Kontrolle über Betriebsprozesse, Datenhaltung, Lösungsdesign sowie über Sicherheits- und Kostenrisiken zu gewinnen. Schrödter betont: „Der Berg der digitalen Souveränität muss in bewältigbare Brocken zerlegt werden – aber die Richtung ist klar: Der Staat muss souverän agieren können, auch im digitalen Raum.“

Kulturwandel in der Verwaltung

Die Umsetzung erfordere ein Umdenken auf allen Ebenen. Führungskräfte müssten mit gutem Beispiel vorangehen, gleichzeitig sei ein gewisser Punkt erreicht, an dem klare Entscheidungen notwendig seien. Schrödter zieht einen Vergleich: „Auch bei einem neuen Handy passt man sich an neue Technologien an – das schaffen die Mitarbeitenden in der Verwaltung ebenfalls.“

Die Einbindung der Mitarbeitenden und Gewerkschaften ist dabei zentral. Diese erkennen in der Transformation eine Chance für mehr Zukunftsfähigkeit. Ihre Anforderungen an Usability und Funktionalität würden die Weiterentwicklung von Open Source Produkten zusätzlich vorantreiben.

Eine besondere Herausforderung seien die Fachverfahren und deren Anbieter. Schrödter sieht hier Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen Bundesländern. Erste Hersteller seien offen für diese Entwicklung – sofern ein verlässlicher Partner den Weg mitfinanziert.

Mut, Verantwortung und Investitionen

Digitale Souveränität erfordere Mut und eine konstruktive Fehlerkultur. CIOs müssten bereit sein, politische Verantwortung zu übernehmen – genau das sei ihr Auftrag. Schrödter sieht in der Budgetsteuerung ein zentrales Steuerungsinstrument: „Open Source ist kein Projekt. Open Source ist ein Programm. Das Ziel: In zehn Jahren zu 100% auf Open Source umsteigen.“

Dabei handle es sich um echte Industriepolitik für den digitalen Raum Europas. Nur durch Investitionen und Engagement könne Europa den globalen Digitalkonzernen auf Augenhöhe begegnen. Digitale Souveränität dürfe nicht auf Studentenprojekten basieren – sie müsse auf leistungsfähigen, lokalen Unternehmen aufgebaut sein.

Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts könne eine um 10% erhöhte Investition in Open Source ein EU-weites Wirtschaftswachstum von 0.4 bis 0.6 Prozent und die Entstehung von rund 600 neuen ICT-Startups ermöglichen.

Konkrete Umsetzung am Arbeitsplatz

In der Praxis setzt Schleswig-Holstein unter anderem bereits heute LibreOffice und Nextcloud ein. Die Ablösung von Windows erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, wobei Schrödter betont, dass das Betriebssystem an Bedeutung verliere. LibreOffice ist bereits flächendeckend ausgerollt, erste Deinstallationen von MS Office haben begonnen. Herausforderungen bestehen insbesondere bei Fachverfahren und deren Integration in den neuen Technologiestack.

Parallel dazu wurde ein Open Innovation Hub sowie ein Open-Innovation-Programm ins Leben gerufen. Schrödter unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit erfahrenen Herstellern und mahnt zur Verantwortung grosser öffentlicher Akteure: „Wer profitiert, muss auch investieren.“ Die eingesparten Lizenzkosten sollen gezielt in die Weiterentwicklung offener Lösungen fliessen.

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