Parldigi direkt: Datenräume sind die Verkehrsinfrastrukturen der Zukunft
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Parldigi direkt: Datenräume sind die Verkehrsinfrastrukturen der Zukunft
Jeden Monat veröffentlichen Politiker*innen, sowie digital-politisch engagierte Mitglieder der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit einen Beitrag in der „Parldigi-direkt“-Kolumne auf Inside-IT. Matthias Michel, FDP-Ständerat des Kantons Zug und Mitglied des Parldigi-Kernteams, sprach in seinem Beitrag im Oktober 2022 Ansätze für eine Rahmengesetzgebung für die Sekundärnutzung von Daten an.
Wie könnte ein Schweizer Weg für eine Rahmengesetzgebung für die Sekundärnutzung von Daten aussehen? Es gibt liberale Ansätze für einen Datenbinnenmarkt und Open Government Data.
Im 20. Jahrhundert entstanden die grossen nationalen Verkehrsinfrastrukturen einschliesslich der grosse nationale Bahnbetreiber SBB. Mit dem Bahninfrastrukturfonds (BIF) und dem Nationalstrasseninfrastrukturfond (NAF) werden die künftigen Infrastrukturen und deren Unterhalt für die Zukunft finanziert. Wir haben in der Schweiz ein gutes Rückgrat für die Verkehrsinfrastruktur. Im 21. Jahrhundert sollte Gleiches für die Dateninfrastruktur entstehen, quasi ein Binnenmarkt für Daten.
Was beim physischen Verkehr Knotenpunkte und Verkehrsdrehscheiben sind, stellen im digitalen Bereich Datenräume dar. Es geht um einen Hub, der Zugang zu Daten ermöglicht und dies für andere als die ursprünglichen Zwecke: In dieser Sekundärnutzung von Daten liegt das riesige Potenzial, das erschlossen und für Gesellschaft und Wirtschaft wertbringend genutzt werden soll. Aus dieser Motivation heraus hat kürzlich die ständerätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-S) die Motion für ein Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten eingereicht.
Staatseingriffe im Interesse des Marktes
Heute beherrschen die grossen privaten Plattformen wie Google, Facebook oder Amazon dieses Feld. Sehr viele Daten sind jedoch gesellschaftlich relevant und sollten nicht monopolisiert, sondern vielmehr demokratisiert werden. Als gutes Beispiel dient Swisstopo: Die von ihr bewirtschaften Geodaten sind frei und kostenlos erhältlich. Swisstopo verwirklicht damit – auch mit dem Support des Parlaments, das vor zwei Jahren das Prinzip der Kostenfreiheit bestätigte – auf beispielhafte Weise die Open Government Data Strategie (OGD) des Bundesrates. Ein weiteres Beispiel ist MeteoSchweiz: mit dem kürzlich im Parlament diskutierten Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) werden bald auch Wetterdaten vollständig als OGD publiziert werden.
Mit OGD können bereits viele, nicht personenbezogene Behördendaten sekundär genutzt werden. Viele Daten werden aber ausserhalb der Verwaltung gesammelt und bewirtschaftet. Diesen privatwirtschaftlichen Datenschatz möchte die EU mit ihrem Data Act zugänglich machen: Mittels doch erheblicher Eingriffe in die Recht der Dateninhaber soll der Datenmarkt liberalisiert und sein Potenzial nutzbar gemacht werden. Diesem Schritt haftet in zweierlei Hinsicht etwas Widersprüchliches an: Erstens wirkt ein Staatszwang zur Öffnung von Datenbanken nicht gerade liberal, zweitens sollten die marktwirtschaftlichen Anreize eigentlich ausreichend sein, um den Mehrwert von Daten zu nutzen. Umso mehr ist eine Regulierung des Datenmarktes mit liberaler Umsicht anzugehen. Angesicht der heutigen Marktmacht der erwähnten Unternehmen ist sicher verstärkter, innovationstreibender Wettbewerb erwünscht.
Liberale Ansätze: Selbstregulierung und Tauschprinzip
Der von der EU Anfang 2022 präsentierte Entwurf eines Data Act scheint relativ komplex und hat Kritik aus der Wirtschaft hervorgerufen. Die Frage ist deshalb, wie der Schweizer Weg für eine Rahmengesetzgebung für die Sekundärnutzung von Daten aussehen könnte. Dazu zwei Stossrichtungen. Die eine knüpft an den Vorschlägen des UVEK und EDA an: Im Bericht vom März 2022 zur «Schaffung vertrauenswürdiger Datenräume basierend auf der digitalen Selbstbestimmung» wird ein Verhaltenskodex aller beteiligter Akteure einschliesslich des Bundes vorgeschlagen. Dieser Akt der koordinierten Selbstregulierung könnte noch verbindlicher werden.
Um alle Marktteilnehmenden zum Mitwirken zu motivieren, wäre eine Ko-Regulierung denkbar: Ein einmal von einer relevanten Anzahl von Akteuren erarbeitete Kodex könnte auf deren Antrag hin vom Bundesrat allgemein verbindlich erklärt werden; fehlt ein Kodex gänzlich, dürfte ersatzweise der Bund regulieren. Ein zweiter Ansatz soll Anreize schaffen, nicht personenbezogene, anonymisierte oder aggregierte Daten über einen Datenraum anderen zugänglich zu machen. So zum Beispiel durch das Tauschprinzip: Wer Informationen einem Datenraum zur Verfügung stellt, soll daraus auch Daten beziehen können.
Impulse für sektorielle Datenräume
Für verstärkte die Sekundärnutzung von Daten bedarf es Impulse für konkrete sektorielle Datenräume. Das UVEK hat mit dem Mobilitätsdatengesetz (MODIG) einen solchen Anstoss im Mobilitäts- und Verkehrsbereich lanciert. Interpharma fordert eine nationale Regulierung für die Sekundärnutzung von Daten im Gesundheitsbereich. Gemäss der Motion der WBK-S besteht zudem auch Handlungsbedarf in den Sektoren Energie, Forschung, Bildung, Landwirtschaft, Umwelt, Tourismus sowie im Bereich der kritischen Infrastrukturen.
Damit möglichst rasch sektorielle Datenräume entstehen, braucht es Datenkooperationen. Diese umfassen die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure, offene und interoperable Infrastrukturen für den Datenaustausch (Interoperabilität) einschliesslich der praktischen Umsetzung der Datenübertragbarkeit (Datenportabilität) gemäss dem neuen Datenschutzgesetz. Sodann sind Investitionen wichtig – so wie im letzten Jahrhundert für unser Eisenbahnnetz investiert wurde, ist Analoges nun für die Dateninfrastruktur gefragt.
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