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Themen: Digitale Nachhaltigkeit, Fallstudien, Mobilität, Parldigi Internas, Parldigi-Partner


Das rote Kontrollschild erfreut sich seit seiner Zulassung im Frühling 2022 einer grossen Nachfrage. Verkehrsteilnehmende ersparen sich mit dem Kauf eines roten Kontrollschilds das Umhängen des hinteren Schildes am Auto auf den Heckträger. Im Grunde eine tolle Sache, jedoch ist bei der Einführung vor einem Jahr die Einführung eines einheitlichen Antragsprozess gescheitert. Jeder Kanton agiert für sich, trotz anfänglicher Kooperationsversuche. Dies führt zu unterschiedlichen Bestellprozessen und etlichen Bestellformularen.

 

Seit März 2022 haben Autofahrende in der Schweiz die Möglichkeit, ein rotes Kontrollschild für den Heck- bzw. Fahrradträger zu bestellen. Mit dem dritten Kontrollschild für Motorwagen entfällt somit das Umhängen des hinteren Schildes vom Auto auf den Heckträger. Das dritte Schild ist komplett freiwillig und das Umhängen des hinteren Kontrollschildes ist weiterhin erlaubt.
Nun würde man davon ausgehen, dass der Antragsprozess für ein solches rotes Kontrollschild über eine einzige Plattform geschieht. Dies ist nicht der Fall. Tatsächlich hat jeder Kanton einen anderen Prozess mit unterschiedlichen Formularen. Der Clou an der ganzen Sache: die roten Kontrollschilder werden für den Grossteil der Kantone von ein und demselben Unternehmen hergestellt. Ausserdem bieten die Weisungen des ASTRA über die Abgabe der roten Kontrollschilder den Kantonen die Möglichkeit, im Gegensatz zu allen anderen Kontrollschildern, das Bestellwesen und den Versand an Dritte zu übertragen. Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Warum tun sich Kantone schwer, einheitliche digitale Lösungen zu schaffen?

 

Quelle: roteskontrollschild.ch

Andreas Vetsch, Leiter des Strassenverkehrsamt Appenzell Ausserrhoden, initiierte im November 2021 einen ersten Anlauf, um verschiedene Ostschweizer Kantone mit an Bord zu holen. Dies mit dem Ziel, einen gemeinsamen Webshop für den Bestellprozess der roten Kontrollschilder auszuarbeiten. Vor der Initiierung des Projektes des Strassenverkehrsamts mit Snowflake Productions wurde im Frühling 2021 eine Konsultation durch die Vereinigung der Strassenverkehrsämter (asa) bei allen Amtsleitungen der Strassenverkehrsämter durchgeführt. Die Frage hierbei war, ob die asa einen zentralen Webshop für den Vertrieb des roten Kontrollschildes einrichten soll. „Da sich keine Mehrheit für eine zentrale Lösung ausgesprochen hat, wurde das Vorhaben seitens asa nicht weiterverfolgt.“ erklärt Andreas Vetsch.
Snowflake Productions wurde für die Erstellung eines Preismodells beauftragt, mit der Möglichkeit noch weitere Kantone miteinzubeziehen. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen beinhaltete unter anderem die Koordination der Abrechnungen, der Bezahlung, sowie weitere administrative Arbeiten. Nach der Erarbeitung des Grobkonzepts mit Snowflake Productions wurde dieses allen Ostschweizer Kantonen vorgestellt. Die Reaktionen auf Amtsleitungsebene seien mehrheitlich positiv ausgefallen. Trotzdem seien im Dezember 2021 viele Kantone wieder abgesprungen. Andreas Vetsch liess sich von diesem Rückschlag nicht stoppen und bemühte sich weiter für eine gemeinsame Lösung. Nachdem aber auch der letzte Kanton eine Zusammenarbeit ablehnte, beauftrage das Strassenverkehrsamt Appenzell-Ausserrhoden den Aufbau einer eigenen Webseite.

Drei Monate später, im März 2022, kam die offizielle Einführung der roten Kontrollschilder in der Schweiz. Eine interkantonale Lösung war noch weit entfernt, tatsächlich Realität zu werden. Im April 2022 nahm Adrian Zimmermann, Managing Partner von Snowflake Productions, Kontakt mit verschiedenen Kantonen auf. Diese hätten sich jedoch bereits zu einer eigenen Lösung entschieden. „Nachfragen bei verschiedenen Strassenverkehrsämtern für eine Begründung der eigens erstellten Lösung für die Antragsstellung ergaben ernüchternde Resultate.“, berichtet Zimmermann. Die Kostenfrage für die externe Auftragsgebung, sowie bereits existierende Prozesse für den Vertrieb der bisherigen Schilder seien für die Mehrheit der Amtsleitenden und vor allem der Entscheidungsträger in tieferen Hierarchiestufen der logische und naheliegende Weg gewesen, sich für eine eigene Lösung und gegen den gemeinsamen Webshop zu entscheiden. Andreas Vetsch’s Meinung nach, hätte eine gemeinsame Lösung ein einheitliches Auftreten und einheitliche, zeitgemässe Prozesse für ein schweizweit eingesetztes „Standardprodukt“ ermöglicht.
Der vorliegende Fall scheiterte zudem an der strategischen Ebene. Aspekte wie Kundenfreundlichkeit, Ressourcenoptimierung oder Standardisierung hätten anders beurteilt und gewichtet werden können. Denn der Entscheid, auf einen gemeinsamen Webshop zu verzichten, hatte schon kurz nach der Einführung der roten Kontrollschilder Konsequenzen. Die sehr hohe Nachfrage bedeutete für die meisten Kantone eine ungeplante Zusatzbelastung der indirekten Bestellabwicklung der roten Kontrollschilder. Jedoch ist festzuhalten, dass die nach der Einführung langen Lieferfristen für die roten Kontrollschilder nicht Resultat der heterogenen Bestellprozesse waren, sondern aufgrund Material- und Produktionskapazitätsengpässen in der Herstellung.

 

Aus den Fehlern lernen

Unter anderem wurde die Beteiligung des Bundes als eine mögliche Massnahme für eine bessere Zusammenarbeit der Kantone im Bereich der Digitalisierung angesprochen. Zukünftig sollte der Bund bei neuen Aufgaben für die Kantone allenfalls noch mehr auf die Erwartung einer einheitlichen Lösungsumsetzung hinweisen. Zwar nicht verpflichtend, jedoch im empfehlenden Sinn. Zudem sollte mehr auf die Ausrichtung für maximalen Nutzen für die Bevölkerung und das Gewerbe geachtet werden.
„Diesen beiden Punkten wurde ganz zu Beginn der Idee des gemeinsamen Webshops zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies sollte in Zukunft bei ähnlichen Vorhaben besser gelingen. So ist die Harmonisierung bei der Digitalisierung unserer Kernprozesse als Ziel in der neuen Strategie der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (asa) formuliert worden. Die Ausrichtung auf hohen Kundennutzen soll dabei stets im Zentrum stehen.“, betont Vetsch abschliessend.

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