Jost_Marc 2023

Themen: Digitale Nachhaltigkeit, E-Voting, Kolumne


Das Gras wächst bekanntlich nicht schneller, wenn man daran zieht. Beim E-Voting könnte es dennoch so sein, schreibt EVP-Nationalrat Marc Jost in seiner Parldigi-Kolumne.

Ein Freund, der als Auslandschweizer in Südafrika lebt, tat mir kürzlich seinen Unmut kund: An Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen, sei für ihn meist unmöglich, weil er das Material jeweils zu spät erhalte. Das bestätigt ein vom Bundesrat verabschiedeter Bericht zur Ausübung des Stimmrechts aus dem Ausland (PDF): Darin steht, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aus „entlegenen“ Ländern wie zum Beispiel Australien, Neuseeland, den Philippinen, Südafrika und Uruguay haben teilweise wenig Zeit für die Stimmabgabe haben.
Der Bericht untersucht verschiedene Optionen zur Beschleunigung der Zustellung – zum Beispiel den Einsatz des EDA-Kurierdienstes, die Vorverlegung des Versands oder die Zustellung an eine Adresse im Inland. Ein Brieftaubenkurierdienst wurde nicht berücksichtigt und der Pony-Express soll auch nicht zum Zug kommen. So kommt er zu dem einleuchtenden Schluss, dass „nach der vorliegenden Untersuchung die elektronische Stimmabgabe weiterhin als weitumfassender und erfolgsversprechender Handlungsansatz einzustufen ist“.

 

Die wenigsten Schweizerinnen und Schweizer können E-Voting nutzen

Trotz jahrelanger Efforts steht diese Lösung heute dem grössten Teil der Schweizer Bevölkerung leider nicht zur Verfügung. Dass wir im Digitalzeitalter immer noch nicht in der Lage sind, unseren Bürgerinnen und Bürgern das E-Voting anzubieten, ist eine verpasste Chance für die Demokratie und ist für viele in der Bevölkerung schwer nachvollziehbar. Insbesondere für Personen mit Schweizer Pass im Ausland oder auch für Personen mit Behinderung wäre diese Dienstleistung sehr wichtig, damit sie ihr Stimm- und Wahlrecht wahrnehmen können.
Andere Länder sind heute schon in der Lage, E-Voting für ihre im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürger anzubieten, so zum Beispiel Armenien, Ecuador, Frankreich, Mexiko, Neuseeland, Oman, Pakistan, Panama. In der Schweiz hatte das E-Voting jedoch in den letzten 20 Jahren einen besonders steinigen Weg. Dieses Jahr wurden erstmals wieder Pilotprojekte in den Kantonen Basel-Stadt, St Gallen und Thurgau – erfolgreich – durchgeführt. Damit sind wir erfreulicherweise einen Schritt weitergekommen. Diese drei Kantone haben nun heute die „Lizenz“ des Bundes erhalten, auch bei den nationalen Wahlen im Oktober E-Voting anzubieten.

 

Wahl-Software muss Open Source sein

Jetzt sind also einerseits die Kantone gefragt, die zuständig sind. Schliesslich werden sie entscheiden, ob sie E-Voting einsetzen oder nicht. Hier bleibt zu hoffen, dass die Landkarte in Zukunft nicht nach einem Emmentaler mit vielen Löchern aussieht, sondern dass es zu einer einheitlichen Praxis für Stimmberechtigte aus allen Kantonen kommt. Hilfreich wäre diesbezüglich, wenn die Post ihre Lösung unter einer Open-Source-Lizenz freigeben würde. So könnten auch andere Anbieter bei der Umsetzung mithelfen und die Kosten würden längerfristig gesenkt. Darum ist andererseits auch der Bund gefragt. Er soll meiner Meinung nach die besten Rahmenbedingungen schaffen, damit möglichst bald alle Kantone das E-Voting anbieten können. Dafür müssen noch gewisse Fragen beantwortet werden. Diese habe ich dem Bundesrat in einer Interpellation gestellt.

 

Erhält Post ein gesamtschweizerisches Mandat?

Eine wichtige Frage betrifft die Finanzierung: Der Bund hat – zu Recht – hohe neue Anforderungen ans E-Voting gestellt. Nachdem dieses nach Entdecken von Sicherheitslücken zunächst ganz eingestellt werden musste, ist es wichtig, dass hohe Qualitätsansprüche verfolgt werden und dass das Vertrauen in der Bevölkerung wieder wächst. Doch damit sind auch wiederkehrende Kosten verbunden. Wie werden diese Kosten in Zukunft aufgeteilt, und kann der Bund sich daran beteiligen? Eine weitere Frage betrifft die Vereinbarungen mit der Post. Könnte sich der Bundesrat vorstellen, der Post ein gesamtschweizerisches Mandat zu erteilen; zum Beispiel im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Post? Es würde kaum Sinn ergeben, wenn jeder Kanton eine separate privatrechtliche Vereinbarung abschliessen müsste.
Bekanntlich wächst das Gras nicht schneller, wenn man daran zieht. Bei der Einführung des E-Votings ist Geduld gefragt – denn wir wollen eine sichere und nachhaltige Lösung. Doch ein wenig am Gras ziehen müssen wir hier vielleicht trotzdem, damit bei den nächsten eidgenössischen Wahlen in vier Jahren, mein Freund in Südafrika und andere Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aus “entlegenen” Ländern, sorgen- und problemlos ihre Stimme rechtzeitig abgeben können.

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