Parldigi direkt: Das EPD ist tot, es lebe das EPD
Themen: E-Government, elektronisches Patientendossier (EPD), Kolumne, Medienmitteilung, Nachhaltigkeit
Das heutige elektronische Patientendossier bietet in der aktuellen Form keinen relevanten Nutzen, schreibt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen in ihrer aktuellen Parldigi-Kolumne. Sie nennt 3 Punkte, wie das EPD noch zu retten ist.
Das elektronische Patientendossier (EPD) ist in seiner jetzigen Form kein Ruhmesblatt, weder für das Parlament, noch für das zuständige Departement des Innern (EDI) und auch nicht für das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Man kann rückwirkend feststellen, dass das Parlament bei der Einführung des EPD zu zögerlich und etwas mutlos war und die frühzeitig ausgesprochenen Referendumsdrohungen gewirkt hatten. Das heutige Konstrukt in der aktuellen Form bietet keinen relevanten Nutzen.
Brauchen wir ein EPD?
Es gibt leider immer mehr chronisch kranke Menschen. Viele haben mehrere Krankheiten gleichzeitig (Polymorbidität) und nehmen mehrere Arzneimittel gleichzeitig (Polymedikation) ein. Folge ist, dass sich vielfach mehrere Behandelnde um eine Patientin kümmern. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Fachpersonen Zugang zu allen behandlungsrelevanten Daten haben. Dafür braucht es das EPD. Die Behandelnden sind beispielsweise auf eine aktuelle Medikationsübersicht angewiesen. Wird in der Arztpraxis oder der Apotheke ein Medikament abgegeben, so wird die Medikationsliste automatisch via E-Medikationsplan aktualisiert und so allen Behandelnden zur Verfügung gestellt.
Heute funktioniert das leider nicht. Es kommt es oft vor, dass eine Patientin nach einem Spitalaufenthalt in der Hausarztpraxis ist, aber der Austrittsbericht fehlt noch. Mit einem EPD braucht es idealerweise keine Rückfragen und kein Faxgerät mehr. Alle behandlungsrelevanten Daten und Referenzen (zum Beispiel Hinweise auf Röntgenbilder) werden im EPD eingestellt und können dort abgerufen werden.
Was braucht ein EPD, damit es Nutzen stiftet?
Der Bundesrat hat im Sommer die Vernehmlassung der umfassenden Revision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier EPDG eröffnet. Alle interessierten Akteure haben Zeit, bis am 19. Oktober 2023 eine Vernehmlassungsantwort einzureichen. Verbände des Gesundheitswesens haben das teilweise schon getan.
Der Bundesrat stellt zentrale Weichen richtig. Er schlägt ein Obligatorium für den ambulanten Sektor und eine Opt-Out-Lösung für Bürgerinnen und Bürger vor. Neu ist der Bund für die Innovation des EPD, sprich die Entwicklung neuer Anwendungen, und die Kantone für die Betriebsfinanzierung der Stammgemeinschaften zuständig. Ein Teil der Daten soll zentral gehalten werden, damit diese automatisch aktualisiert werden (z.B. eMedikationsplan) und für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden können.
Mir scheinen für die bevorstehenden gesetzlichen Anpassungen folgende Punkte zentral:
1. Mit der Annahme der Motion „Elektronisches Patientendossier. Praxistauglich gestalten und finanzielle sichern“ hat das Parlament dem Bundesrat den Auftrag erteilt, „eine zentrale EPD-Infrastruktur für die Datenablage der Patientinnen und Patienten sowie für den Datenaustausch mit Gesundheitsfachpersonen“ zur Verfügung zu stellen. Die Komplexitätsreduktion ist enorm, die Interoperabilität ist viel einfacher, wenn es nur noch eine technische Plattform gibt. Zu prüfen ist, ob die Plattform nicht für alle Pflichtdaten verwendet werden kann, welche Leistungserbringer dem Bund und den Kantonen melden müssen.
2. Im Fokus muss die konsequente Umsetzung des „Once-Only-Prinzips“ sein. Wir können es den Ärztinnen und Ärzten nicht mehr zumuten, dass die gleichen Daten mehrfach erfasst werden müssen. Das ist heute der Fall, weil für jede Pflicht-Meldung ein neues elektronisches Formular oder eine eigene Webanwendung geschaffen wird.
3. Damit das EPD im ambulanten Bereich funktionieren und das „Once-Only-Prinzip“ umgesetzt werden kann, sollten wir rasch öffentliche Mittel für die Tiefenintegration der Primärsoftware der Leistungserbringer bereitstellen. Dazu sehe ich zwei Chancen: Wir können die Botschaft der Übergangsfinanzierung nutzen, die der Bundesrat kürzlich ans Parlament überweisen hat. Auch die Finanzierungs-Botschaft Digisanté, die Ende Jahr ans Parlament überwiesen wird, bietet dafür eine Opportunität.
Das EPD kann und muss gerettet werden, denn digitale Instrumente können die Qualität der Behandlung erhöhen und unnötige Kosten vermeiden. Das Gesundheitswesen muss endlich umfassend im digitalen Zeitalter ankommen. Es scheitert definitiv nicht an der Technik, die längst bereit ist. Ich bin überzeugt, dass wir ein EPD zum Nutzen der Patient:innen und der Leistungserbringer aufgleisen können. Dazu braucht es nun mutige Schritte der Politik.
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