Parldigi Direkt Matthias Michel

Themen: Digitale Nachhaltigkeit, Kolumne, Künstliche Intelligenz


Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz braucht auch gesetzgeberische Intelligenz. Dazu liegt ein Vorschlag für eine agile Gesetzgebung für ein KI-Testing vor, schreibt Ständerat Matthias Michel.

Seit etwa 2015 beschäftigt sich die Politik mit Künstlicher Intelligenz (KI), wobei es zunächst um Fragen zu Haftung und Ethik ging. So regte die FDP in der Interpellation 15.3446 „Neue Technologien und autonome Apparate“ an, die Haftungsfragen zu diskutieren. Und die Interpellation 16.4131 fragte: „Wie kann die Schweiz an der Forschung zu künstlicher Intelligenz teilnehmen, damit universelle moralische Werte in der digitalen Welt gut vertreten sind?“ Es folgten dann vereinzelte Vorstösse, bis im Jahr 2023 eine regelrechte Welle zum Thema folgte, ausgelöst durch die Lancierung von ChatGPT (siehe Kasten unten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Einige dieser Vorschläge beinhalten die Frage der Regulierung. Die EU ist hier mit ihrem AI-Act schon weit vorangegangen: Das Gesetz wurde vergangene Woche durch das EU-Parlament angenommen und wird somit in Kürze in Kraft treten. In der Schweiz hat der Bundesrat hat am 22. November 2023 das Uvek beauftragt, bis Ende 2024 eine Übersicht möglicher Regulierungsansätze von KI zu erstellen. Gestützt auf diese Analyse will er im Jahr 2025 einen konkreten Auftrag für eine Regulierungsvorlage KI erteilen.
Der Zeitpunkt ist also ideal, um sich von politischer Seite vertieft mit der Technologie, ihren Möglichkeiten und Grenzen, Chancen und Risiken auseinanderzusetzen. Mit diesem Anspruch lancierte die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit (Parldigi) einen Diskussionsprozess, durchgeführt durch Expedition Zukunft: In kollaborativen Workshops unter Beteiligung von Vertretungen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung wurden diverse Ansätze für politische Massnahmen ausgearbeitet. Ein erster Vorschlag wurde bereits ins Parlament gebracht: Inhaltlich unterstützt durch Teilnehmende am Workshop und mitunterzeichnet durch Ständeratsmitglieder aus allen politischen Gruppen reichte ich am 13. März 2024 das Postulat „Innovatives Umfeld für KI-Testing und -förderung“ ein. Verlangt wird, dass der Bundesrat im Rahmen der laufenden Arbeiten des Uvek Möglichkeiten für ein innovationsfreundliches Umfeld für die Entwicklung von KI-Anwendungen aufzeigt. Im Zentrum steht dabei die Schaffung einer agilen Gesetzgebung für ein Testumfeld für die Entwicklung und Anwendungen von KI.

Experimentelle Gesetzgebung

Ich schlage also ein Modell einer experimentellen Gesetzgebung vor, die bereits in anderen Bereichen zur Anwendung kommt. So erlaubt das Strassenverkehrsrecht neuerdings Versuche mit Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem, dies auch unter Abweichung vom geltenden Recht (Art. 15 SVG). Nach derselben Methodik wurde in der letzten Revision des Energiegesetzes die gesetzliche Basis für Pilotprojekte zur Entwicklung von innovativen Technologien, Geschäftsmodellen oder Produkten geschaffen (Art. 23a des Stromversorgungsgesetzes).
Mit diesem Ansatz soll die Entwicklung einer neuen technischen Lösung und die parallele Entwicklung der Rechtsgrundlagen aufeinander abgestimmt werden. Durch ein iteratives Vorgehen mitschreitend zur technischen Entwicklung kann Klarheit über die erforderlichen Rechtsgrundlagen erlangt werden. Diese Methodik würde auch eine Vorstufe zu einer definitiven Regulierung ermöglichen.

Schweiz könnte wichtiger Standort für sichere KI sein

Zusätzlich wird die Prüfung weiterer Förderinstrumente erwartetet. Damit soll der Innovationsstandort Schweiz gestärkt werden. Der Markt für KI-Tests und Audits bietet der Schweiz eine herausragende Gelegenheit, sich als führendes Zentrum für zuverlässige und vertrauenswürdige KI zu etablieren. Startups, die aus unseren Universitäten und Hochschulen hervorgehen, zeigen das Potenzial für innovative Lösungen in diesem Bereich und sollten mit Fördermassnahmen unterstützt werden. Partnerschaften zwischen Wissenschaft, Bund und Wirtschaft (z.B. durch Kooperationen mit Einrichtungen wie der Empa und den technischen Hochschulen) könnten die Entwicklung standardisierter Verfahren für KI-Tests und -Audits vorantreiben und die Positionierung schweizerischer KI-Unternehmen auf dem internationalen Markt stärken.
Alle diese Elemente helfen mit, dass die Schweiz ihr grosses KI-Potenzial entfaltet. Gemäss einer neuen Studie von PwC ist in unserem Land dieses Potenzial im Bereich generativer KI weltweit am höchsten. Und der Bundesrat kann aufzeigen, dass und wie er das Ziels 5 der Legislaturplanung 2023-2027 umsetzt: „Die Schweiz nutzt die Chancen der künstlichen Intelligenz, reduziert ihre Risiken und setzt sich für einen innovativen Standort Schweiz und eine zukunftsgerichtete nationale und internationale Regulierung ein.“

 

Parlamentarische Vorstösse zum Thema KI

Motionen
Postulate

Interpellationen

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