Gerhard Andrey Kolumne

Themen: Bundesverwaltung, Digitale Nachhaltigkeit, E-Government, Kolumne, Open Cloud


Nationalrat Gerhard Andrey nimmt als Gastautor die „Swiss Government Cloud“ unter die Lupe.

Der Aufschrei vor drei Jahren war gross, als der Bund fünf grossen internationalen Hyperscalern wie Alibaba oder Microsoft den Zuschlag für Cloud-Dienstleistungen gegeben hatte. Ein Eignungskriterium hatte Schweizer Unternehmen schlicht ausgeschlossen: Rechenzentren auf drei Kontinenten konnten diese nicht vorweisen. Die Aufregung war vielleicht etwas gar gross, ging es doch nur um einen Zuschlag, damit Ämter Leistungen bei Hyperscalern orchestriert durch den Bund beziehen können. Eingekauft wurde direkt also nichts, sondern nur Optionen beschafft. Das Angebot wurde in den vergangenen Jahren aber genutzt, wenn auch nicht annähernd im Umfang des vorhergesehenen Zuschlags und auch nicht bei allen Anbietern.

Dennoch war wichtig, dass damals eine kurze aber intensive öffentliche Debatte entflammt ist darüber, wie sich die Verwaltung in der Cloud aufstellen soll, um ihre digitalen Bedürfnisse zeitgemäss und wirtschaftlich aber eben auch selbstbestimmt und mit Gestaltungsfreiheit bedienen zu können. Eine nützliche Entflechtung der Diskussion auf Bundesebene und eine Klarheit darüber, was mit Cloud überhaupt gemeint sein soll, war die direkte Folge davon. Münden tut dies nun in einem wichtigen Zwischenschritt, der sogenannten Swiss Government Cloud (SGC).

Private Cloud On Premises, Public Clouds on Premises und Public Clouds

Die SGC unterscheidet neu zwischen Private Cloud On Premises, Public Clouds on Premises und Public Clouds. Letztere sind die Clouds der klassischen Hyperscale-Anbieter für SaaS, PaaS oder IaaS. Unbedenkliche Daten für Wetter oder Kartenmaterial sollen darauf skalierbar ausgeliefert werden können. Auch Daten, die nicht offen aber nicht allzu sensibel sind, sollen unter zusätzlichen vertraglichen Bedingungen dort betrieben werden können.

Dann soll es Public Clouds on Premises geben. Hier ist die Idee, dass der Bund Leistungen Dritter bezieht, jedoch auf eigenem Blech betreibt. Dabei geht es hauptsächlich um Edge Computing. So könnten zum Beispiel die grossen Datenmengen an der Zollabfertigung dezentral, aber eben dennoch mit Cloud Technologie verarbeitet werden.

Die Private Cloud On Premises ist die Dritte im Bund, bei der es ums Eingemachte geht: Sie soll als tatsächliche, durch den Bund kontrollierte Cloud Alternative aufgebaut werden. Sie steht auch Kantonen und Gemeinden zur Verfügung.
Alle drei Stufen sollen hochgradig standardisiert und damit untereinander interoperabel funktionieren.

Parlamentarische Vorstösse

Aus dem Parlament gab es über die vergangenen Jahre immer wieder Vorstösse von links bis rechts, welche eine souveräne Infrastruktur für Bund, Kantone und Gemeinden forderten. Die Private Cloud on Prem kommt dieser Forderung meines Erachtens nun recht nahe. Zumindest wenn sie so umgesetzt wird, wie der Nationalrat dies mit seinen Präzisierungen verlangt.
Der Nationalrat hat nämlich gewichtige materielle Präzisierungen vorgenommen. So sollen Open-Source-Software und offene Standards in den Beschaffungen bevorzugt behandelt werden. Der Nationalrat ist der festen Überzeugung, dass nur durch den Einsatz von Produkten und Standards, die nicht von Firmeninteressen beherrscht werden, sondern quelloffen und damit frei sind, faktische und nicht nur theoretische Unabhängigkeit für die Private Cloud erreicht werden kann. Dieser Vorrang soll nicht nur für die Private Cloud gelten, sondern für alle Beschaffungen im Zusammenhang mit der SGC. Open Source ist definitiv im Bundeshaus angekommen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bevorzugung von Schweizer Unternehmen in den Beschaffungen rund um die SGC. Der Bundesrat schreibt selber, dass für die Public Cloud nun auch Schweizer Unternehmen berücksichtigt werden sollen. Der Nationalrat geht auch hier weiter: Bei allen Beschaffungen rund um die SGC sollen Schweizer Unternehmen bevorzugt behandelt werden, also als Gegengewicht zu der Dominanz der amerikanischen Grosskonzerne.

Alles bestens also?

Die SGC ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wäre da nicht eine wichtige Ansage in der Vorlage: Der Bundesrat plant, mehr als heute Daten und Applikationen ausserhalb seines Einflussbereichs zu beherbergen. Das ist zweifach problematisch: Die Unabhängigkeit externer Anbieter sinkt damit natürlich nicht. Wenn schon solch substanzielle Investitionen in eine unabhängige Infrastruktur gebuttert werden, sollte dort auch der wesentliche Teil der Verwaltungsdigitalisierung stattfinden. Satte 100 Millionen Franken sollen schliesslich in den Aufbau der Private Cloud fliessen.

Taktische Entscheide, keine übergeordnete Strategie für Digitalisierung

Aber es bleibt immer noch schwer nachvollziehbar, wie die Digitalisierung auf Bundesebene insgesamt vorangetrieben werden soll. Taktische Entscheide werden aneinandergereiht, es fehlt eine übergeordnete Strategie. Aus diesem Grund hat das Parlament in der Legislaturplanung die Idee einer mehrjährigen, transversalen Digitalisierungsbotschaft verankert. Die Verwaltung ist hier nun gefordert.
Mit keinem Wort wird übrigens erwähnt, was bei der E-ID ein gewichtiger Erfolgsfaktor war: ein partizipativer, iterativer und transparenter Prozess. Ein Community-Building rund um die SGC ist ein Muss.
Mein Fazit ist ein verhalten optimistisch. Die Swiss Government Cloud ist ein guter Ansatz. Die Verwaltung muss aber insbesondere bei der Private Cloud mit mehr Ambition zur Sache und darf sich nicht einzig von vermeintlicher Wirtschaftlichkeit der Hyperscaler verleiten lassen. Denn der Preis für die Abhängigkeit von unkontrollierbaren Geschäftsinteressen digitaler Grosskonzerne ist vielleicht zunächst unsichtbar, aber dennoch enorm. Und wenn schon Swiss draufsteht, sollte auch Swiss drin sein.

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