2023-03-30 Rückblick Eventbild

Themen: Datenschutz, Events, Forschung, Gesundheit, Juristisches


Am Donnerstag, 16. März 2023 begrüsste Min Li Marti, SP Nationalrätin des Kantons Zürich 25 Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vor Ort im Bundeshaus zum Anlass der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit (Parldigi) zum Thema des Zuganges und der Nutzung von Gesundheitsdaten in Krisensituationen.

Im Rahmen der strategischen Partnerschaft der Universitäten Genf und Zürich hat ein interdisziplinär zusammengesetztes Team von Wissenschaftler:innen einen Call for Action für Zugang und Nutzung von Gesundheitsdaten erarbeitet. Dieser „Call for Action“ wurde an der Veranstaltung vorgestellt und diskutiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Einführung in die Thematik erfolgte durch Prof. Dr. Jacques de Werra, Direktor des Digital Law Center an der Universität Genf, und Prof. Dr. Florent Thouvenin, Vorsitzender des Leitungsausschusses des Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) und Direktor der Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich.

Sie zeigten auf, dass Behörden im Krisenfall rasch und ohne bürokratischen Aufwand auf relevante Daten zugreifen können sollten, die bei anderen Behörden oder privaten Akteuren gespeichert sind.. Einem breiten Zugriff auf (Personen-)Daten oder gar einem Zusammenführen grosser Datenmengen in einem zentralen System stehen aber grundlegende datenschutzrechtliche Bedenken entgegen.

Ein vielversprechender Ansatz bestehe in der Unterscheidung zwischen «shareable data» und «shared data». Daten sind dabei grundsätzlich so zu speichern, dass sie geteilt werden können («shareable data»), sie werden aber nur im Krisenfall effektiv geteilt («shared data»). Mit diesem Ansatz lasse sich sicherstellen, dass die zuständigen Behörden im Krisenfall rasch auf die relevanten Daten zugreifen und sie als Grundlage von Entscheidungen nutzen können, ohne dass die Daten in einem zentralen System gespeichert werden müssen. Die Umsetzung dieses Ansatzes erfordere zwar eine Reihe von Anpassungen der heutigen Situation, diese fügen sich aber gut in die Strategie des Bundesrates zum Umgang mit Daten ein.

In den drei darauffolgenden Kurzvorträgen der Vertretenden der Universitäten Genf und Zürich wurden die technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen und Lösungsansätze angesprochen. Prof. Christian Lovis verdeutlichte die Wichtigkeit eines gemeinsamen Diskurses über das Teilen von und den Zugriff auf Daten in Krisensituationen, um das Vertrauen der Bevölkerung weiter aufzubauen. Nebst einem gemeinsamen Austausch und einer Kooperation zwischen den involvierten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, brauche es interoperable und einheitliche digitale Datenformate und Systeme.

Auch Prof. Diego Kuonen wies auf die zentrale Bedeutung von brauchbaren maschinenlesbaren (strukturierte) Daten hin. In einer Krise brauche es einheitliche Datenformate und eine einheitliche Datensemantik, momentan fehle aber beides und es mangle auch an der Interoperabilität der Systeme. Zudem fehle der Überblick über die bestehenden Datensammlungen. Mögliche Lösungen seien unter anderem eine sinnvolle Erhebung („once only“) von digitalen und teilbaren („shareable“) Daten sowie einheitlichen Datenformaten und Datensemantiken. Nebst den technischen Hindernissen, ging Prof. Kuonen auch auf gesellschaftliche Hindernisse, wie die mangelnde Datenkompetenz und das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit ein. Um die Angst vor einem mögliche Datenmissbrauch zu verringern, seien eine Förderung der Digital- und Datenkompetenz der Bevölkerung und eine bessere Transparenz notwendig.

Dr. Stephanie Volz zeigte auf, dass es ausreichende rechtliche Grundlagen für die Nutzung von Daten in einem Krisenfall brauche. Ein Problem seien dabei die Diskrepanzen zwischen Bundesrecht und kantonalem Recht, die eine Nutzung von Daten im Krisenfall erschweren. Hier sei eine Harmonisie­rung erforderlich. Prof. Florent Thouvenin machte zudem deutlich, dass es gewisse Anpassungen oder zumindest ein Umdenken bei einigen Grundsätzen des Datenschutzrechts brauche, so namentlich beim Grundsatz der Zweckbindung und der Verhältnismässigkeit, um sicherzustellen, dass relevante Daten im Krisenfall überhaupt verfügbar sind und genützt werden können. Zudem sei es wohl unver­zichtbar, die Erarbeitung und Einführung von einheitlichen Datensemantiken und Datenformaten durch passende Rechtsnormen einzuhegen und zu fördern.

Nach der Vorstellung des «Call for Action» präsentierten Mathias Becher und Simon Lanz die Perspektive des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Das EDI (BAG und BFS) wurde beauftragt, bis Ende 2023 eine Finanzierungsbotschaft für ein umfassendes Programm auszuarbeiten. Das Programm soll auch laufenden Initiativen im Bereich der Digitalisierung Schub verleihen. Das Poten­tial sei enorm, um in der Digitalisierung des Gesundheitswesens einen grossen Schritt zu machen. In einer Krisensituation können zwar Probleme kurzfristig behoben werden, die grundsätzlichen Probleme würden aber bestehen bleiben, weil die heutigen Ansätze und der heutige Rechtsrahmen oft zu stark auf die einzelnen Anwender und Anwendungen fokussieren, obwohl das Problem tiefer­liegend sei. Zukünftig sollten Doppelspurigkeiten bei der Erhebung und beim Bearbeiten von Daten durch einen standardisierten, interoperablen und sicheren Datenaustausch vermindert werden.

 

 

 

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