01.10.2010 - 10.3837
Stufe: Nationale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt

Eingereichter Text

1. Wie werden die Aspekte der natürlichen Benachteiligung von Open-Source-Software bei Informatikbeschaffungen berücksichtigt?

2. Wie gedenkt die Bundesverwaltung ihre OSS-Strategie im Hinblick auf die Büroautomation ab 2012 umzusetzen?

3. Wird der Auftrag für die Sicherstellung der Büroautomation ab 2012 im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung beschafft?

4. Wenn nein, weshalb nicht?

5. Wie viele Informatikaufträge hat die Bundesverwaltung 2009 vergeben? (Anzahl und Volumen)

6. Wie viele davon waren freihändige Vergaben? (Anzahl und Volumen)

7. Bei welchen der ausgeschriebenen bzw. freihändig vergebenen Aufträge wurde Open-Source-Technologie eingesetzt?

8. Mit welchen Mitteln wird sichergestellt, dass trotz den freihändigen Vergaben gleich lange Spiesse herrschen?

Begründung:

Ende 2011 läuft das Enterprise Agreement 09 mit Microsoft aus, das die Pflege und Wartung der Büroautomations-Software der Bundesverwaltung sicherstellt. Zurzeit läuft ein Gerichtsverfahren wegen der freihändigen Vergabe dieses 42-Millionen-Auftrages an Microsoft, obschon sich der Bund in seiner 2005 verabschiedeten Open-Source-Software-Strategie (OSS-Strategie) „gleich lange Spiesse“ für Open Source und proprietäre Software vorgegeben hat.

Die erwähnte freihändige Vergabe wurde primär damit begründet, dass bei der Bundesverwaltung eine unüberwindbare Abhängigkeit zu Microsoft besteht und deshalb keine anderen Anbieter infrage kamen. Solche Hersteller-Abhängigkeiten zeigen, dass in der Realität der öffentlichen Beschaffung OSS noch nicht „gleich lange Spiesse“ wie proprietäre Software besitzt. Als weiterer Aspekt der natürlichen Benachteiligung von OSS steht die Tatsache, dass OSS nicht über eine milliardenschwere Marketing-Abteilung verfügt wie der Hersteller von proprietärer Software. OSS wird oft von dezentralen Communities und kleineren Dienstleistungsfirmen vertrieben, die nicht über die Markt- und Lobbying-Macht internationaler Software-Konzerne verfügen.

 

Antwort des Bundesrates vom 17.11.2010

1. Eine Informatikleistung, welche die international festgelegten Schwellenwerte erreicht, ist grundsätzlich auszuschreiben. Damit werden die Gleichbehandlung und die Transparenz gewährleistet und wird der Wettbewerb gefördert (vgl. Art. 1 sowie 13 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, BöB, SR 172.056.1). Der Zuschlag ist dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen. Dieses wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden wie insbesondere der Termin, die Qualität, der Preis oder der Kundendienst (Art. 21 Abs. 1 BöB). Die Wahl der Zuschlagskriterien hat nichtdiskriminierend zu erfolgen. Ob ein Unternehmen geeignet ist, einen Auftrag zu erfüllen, wird im Einzelfall im Rahmen der Eignungsprüfung abgeklärt (Art. 9 BöB).

Die allfällige Gefahr der Abhängigkeit von Software-Lieferanten wird jeweils im Rahmen der Risikobetrachtung bei der Festsetzung der Strategie geprüft und so weit wie möglich mittels Standardisierung und Vorgaben an die Architektur reduziert. Im Einzelfall werden deshalb bei der Leistungsbeschreibung, soweit möglich und sinnvoll, standardisierte Schnittstellen und Dateiformate verwendet.

2. Die Umsetzung der OSS-Strategie wird im bewährten Rahmen fortgesetzt. Die fallweise Prüfung hat dazu geführt, dass OSS dort eingesetzt wird, wo entsprechende Vorteile für die Bundesverwaltung erkannt worden sind.

3. Die „Sicherstellung der Büroautomation ab 2012“ erfolgt im Rahmen der beschaffungsrechtlichen Vorgaben gemäss den strategischen Richtlinien, welche regelmässig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Ob das Beschaffungsrecht eine öffentliche Ausschreibung verlangt, wird fallweise geprüft werden. Beim Beschaffungsentscheid wird zudem das Urteil bzw. die Begründung eines derzeit noch hängigen Verfahrens zu berücksichtigen sein.

4. Vgl. die Antwort zu Frage 3.

5. Das Bundesamt für Bauten und Logistik als zentrale Beschaffungsstelle hat im Geltungsbereich des BöB im Jahr 2009 insgesamt 117 Aufträge im Gesamtwert von 183 675 240 Franken vergeben.

6. Von den obengenannten Aufträgen wurden 35 Vergaben im Gesamtwert von 86 196 907 Franken freihändig vergeben, wobei 42 Millionen Franken auf eine einzelne freihändige Vergabe fallen. Im mehrjährigen Vergleich stieg zudem der Anteil der offenen und selektiven Ausschreibungsverfahren gegenüber den freihändigen Verfahren insgesamt um 5 Prozent (Zeitperiode vom 1. Januar 2006 bis zum 29. August 2010).

7. Anwendungen können auf Open Source oder auf Closed Source basieren. Oftmals sind es jedoch Mischformen. Unterschieden wird auch zwischen der Nutzung von Standardsoftware „ab der Stange“ und eigens entwickelten Anwendungen. Aufgrund der oft auftretenden Mischformen können der Anteil an Open-Source-basierten Anwendungen und die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen beim Bund nicht erhoben werden. Entsprechende Kennzahlen für die Kantone und Gemeinden sind nicht bekannt. Einzelne Beispiele können hingegen genannt werden: Der gestiegene OSS-Einsatz in der Bundesverwaltung manifestiert sich heute z. B. darin, dass bereits ein Viertel der Server beim BIT unter dem als Bundesstandard verabschiedeten OSS-Betriebssystem Linux und ein Grossteil der Web-Server mit dem ebenfalls standardisierten OSS-Produkt Apache laufen.

8. Freihändige Vergaben dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden (Art. 13 Abs. 1 BöB). Erhält ein Anbietender in einem freihändigen Verfahren den Zuschlag, soll dies keinen Wettbewerbsvorteil für spätere Beschaffungen begründen. Die freihändigen Vergaben werden nämlich, soweit möglich und sinnvoll, auf einer Leistungsbeschreibung basieren, die standardisierte Schnittstellen und Dateiformate verwendet (vgl. zweiter Absatz der Antwort auf Frage 1).