Fraktion der Grünen, Kanton Aargau

Eingereicht am: 05.05.2009

05.05.2009 - GR.09.157
Stufe: Kantonale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt

Text und Begründung:

 

Der Einsatz von Open Source Software kann gegenüber vergleichbaren proprietären Angeboten folgende Vorteile aufweisen:

  • höhere Wirtschaftlichkeit durch wegfallende Lizenzkosten,
  • verringerte Ausfallzeiten,
  • längere Produktlebenszyklen und
  • niedrigere Anforderungen an die Hardware,
  • Wegfall der Abhängigkeit von einem bestimmten Anbieter,
  • verbesserte Zugänglichkeit durch offene Standards,
  • Zukunftssicherheit der Daten.

 

Viele private Organisationen und öffentliche Verwaltungen prüfen deshalb den Einsatz von Open-Source-Lösungen oder haben sie bereits eingeführt. Von den Schweizer Kantonen setzen mindestens Basel-Landschaft, Genf, Solothurn und Thurgau in einem grösseren Umfang Open Source Software ein.

 

Wir bitten deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

 

  1. In welchen Bereichen wäre ein vollständiger oder teilweiser Umstieg auf Open-Source-Lösungen in der kantonalen Verwaltung denkbar? Wurde ein solcher bereits evaluiert? Wenn ja, was waren die Resultate und aus welchen Gründen wurde darauf verzichtet?
  2. Welches sind die durchschnittlichen jährlichen Lizenz- und Wartungskosten der kantonalen Verwaltung für die folgenden Gruppen proprietärer Software und welche genaue Art und Anzahl von Lizenzen sind darin enthalten?
  3. Wie gross ist der Anteil dieser Software am gesamten Aufwand des Kantons für die Beschaffung und die Wartung von Software?

 

  1. Client-Betriebssysteme
  2. Server-Betriebssysteme
  3. Office-Client-Applikationen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Mail usw.)
  4. Datenbankserver
  5. Server-Dienste (Webserver, Mailserver, Groupwaresysteme usw.)
  6. Weitere Software, für die es Open-Source-Alternativen gibt, zum Beispiel Content-Management-Systeme, Verschlüsselungssoftware, Datenkompressions-programme usw.

 

  1. Ist der Regierungsrat bereit, im Hinblick auf einen möglichen Umstieg auf Open-Source-Lösungen erfolgreiche Beispiele aus anderen Kantonen konkret zu prüfen und sich vor Ort einen fundierten Überblick über die möglichen Chancen und Grenzen von Open Source in Verwaltungen zu verschaffen?

 

Antwort des Regierungsrats vom 09. September 2009:

1.         Ausgangslage

Das Informatik-Board und das Departement Finanzen und Ressourcen (Abteilung Informatik) befassen sich seit Ende 2006 intensiv mit dem Thema Open Source. In Zusammenarbeit mit den anerkannten Open Source-Spezialisten der Optaros AG wurde eine Open Source-Strategie-Studie durchgeführt.

Als wichtigste Vorteile von Open Source gelten die wegfallenden Lizenzkosten und (in der Regel) günstige Support- und Dienstleistungskosten, Herstellerunabhängigkeit und insgesamt gesteigerte Flexibilität in der Beschaffung und der Nutzung von Software. Schwierigkeiten beim Einsatz von Open Source bereiten das mit schätzungsweise über 150’000 Produkten sehr umfangreiche Angebot, die teilweise fehlenden Support- und Dienstleistungsangebote sowie die oftmals fehlenden Erfahrungen und Referenzen der Anbieter.

2.         Stand im Kanton Aargau

In der kantonalen Verwaltung werden ca. 4’500 Arbeitsplatzsysteme (Clients) und
ca. 700 Server betrieben. Der Grossteil der Arbeitsplatz- wie auch der Serversysteme läuft unter Microsoft-Betriebssystemen. Die Anzahl der Open Source-Server-Betriebssysteme nimmt kontinuierlich zu. Heute laufen bereits rund 25 % der Server unter dem Open Source-Produkt Suse Linux. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass der Betrieb problemlos läuft, der Aufwand für die professionelle Wartung aber durchaus mit kommerziellen Betriebssystemen vergleichbar ist.

Bei Ersatz- und Neubeschaffungen werden unter allen relevanten Gesichtspunkten sowohl Closed Source als auch Open Source-Produkte geprüft, wobei in Zukunft Open Source-Produkten verstärkte Beachtung zu schenken ist.

Ein flächendeckender Ersatz der heute im Einsatz stehenden Microsoft-, SAP- und anderen Closed Source-Produkte durch Open Source-Produkte wird nicht angestrebt.

 

Zur Frage 1

 

„In welchen Bereichen wäre ein vollständiger oder teilweiser Umstieg auf Open-Source-Lösungen in der kantonalen Verwaltung denkbar? Wurde ein solcher bereits evaluiert? Wenn ja, was waren die Resultate und aus welchen Gründen wurde darauf verzichtet?“

Der Einsatz von Linux (Open Source-Produkt) als Serverbetriebssystem ist etabliert. Die Resultate sind sehr zufriedenstellend. Einem weiteren Ausbau steht nichts im Weg. Ein vollständiger Umstieg auf Open Source-Produkte wird jedoch nie möglich sein, da sehr viele Spezial- (Fach-) Applikationen oftmals nur zusammen mit Closed Source-Produkten zur Verfügung stehen.

Im Datenbankbereich nimmt die Anzahl der Applikationen mit dem Open Source-Produkt MySQL ständig zu. Das Produkt ist ebenfalls etabliert.

Ein Umstieg auf Open Source-Technologien wurde in verschiedenen Bereichen bei entsprechend günstigem Kosten/Nutzenverhältnis und bei vorhandenem Know-how realisiert.

 

Zur Frage 2

 

„Welches sind die durchschnittlichen jährlichen Lizenz- und Wartungskosten der kantonalen Verwaltung für die folgenden Gruppen proprietärer Software und welche genaue Art und Anzahl von Lizenzen sind darin enthalten?“

Vgl. Antwort zur Frage 3.

 

Zur Frage 3

 

„Wie gross ist der Anteil dieser Software am gesamten Aufwand des Kantons für die Beschaffung und die Wartung von Software?“

Open Source-Software unterscheidet sich in der Erstbeschaffung naturgemäss stark von Closed Source-Produkten. Bei den Kosten für die Wartung und den Betrieb ist aber festzustellen, dass sich im Vergleich praktisch keine Differenzen zugunsten von Open Source-Produkten ergeben. Die Software Beschaffung wird aktuell nicht zentral budgetiert und die genaue Ermittlung der gewünschten Zahlen ist deshalb nur sehr aufwändig möglich. Deshalb erfolgen nachstehend Schätzungen mit einer grösstmöglichen Annäherung.

 

„a)     Client-Betriebssysteme“

Die Clientsysteme (Desktop, Notebook) werden mit bereits installiertem Betriebssystem (OEM [Original Equipment Manufacturer-Lizenz]) beschafft. Zum Einsatz kommen rund 4’500 OEM-Lizenzen von Microsoft Windows XP. Der Aufwand für die Client-Betriebs­systeme kann nur schätzungsweise ermittelt werden, da der Preis der OEM-Lizenz beim Kauf der Geräte nicht separat ausgewiesen wird. Bei jährlich rund 1’000 ersetzten Clients und Fr. 90.– pro Lizenz kann mit Beschaffungskosten von Fr. 90’000.– gerechnet werden (Fr. 20.– pro Arbeitsplatz und Jahr). Jährliche Lizenz- und Wartungskosten fallen für Client-Betriebssysteme nicht an.

 

„b)     Server-Betriebssysteme“

Im Rechenzentrum werden rund 150 Server mit dem auf Open Source basierenden SUSE Linux Enterprise Server und rund 350 Server mit Microsoft Windows Betriebssystem betrieben. Das Betriebssystem wird durch die zu betreibenden Applikationen bestimmt, wobei die eigentlichen Serverbetriebssystem-Lizenzen meist nur einen marginalen Anteil an den Gesamtkosten (Projekt und Betrieb) haben.

 

Eine SUSE Linux Enterprise Server-Lizenz ist kostenlos, die Kosten für Wartung (automatische Updatefunktionen und telefonischer Support) belaufen sich auf rund Fr. 1’000.– pro Jahr. Eine Windows Server-Lizenz kostet zwischen Fr. 800.– und Fr. 1’800.–. Das automatische Update innerhalb der gleichen Hauptversion ist dann über die gesamte Nutzzeit kostenlos. Bei einem durchschnittlichen Einsatz eines Betriebssystems von vier Jahren fallen die folgenden Kosten an:

  • Windows Server Standard Edition       800.–
  • Windows Server Enterprise Edition    2’400.–
  • SUSE Linux Entreprise Server (4 x Fr. 1’–) Fr.   4’000.–
  • Open Source-Linux ohne Support/automatisches Update           0.–

 

Im Enterprise-Umfeld muss möglichst viel automatisiert sein, speziell das Aktualisieren von Serverbetriebssystemen soll mit entsprechenden Services praktisch ohne menschliches Zutun erfolgen können. Der Einsatz von kostenlosen Open Source-Betriebssystemen ohne diese Möglichkeiten muss mit entsprechendem Mehraufwand von Personalressourcen (intern oder extern) kompensiert werden. Die Gesamtkosten bleiben auf gleicher Höhe, wobei es zu bedenken gilt, dass hier die Zuverlässigkeit der menschlichen Arbeit als Risikofaktor negativ zu bewerten ist.

 

„c)       Office-Client-Applikationen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Mail usw.)“

Im Office Bereich wird für die 4’500 Arbeitsplätze einheitlich Microsoft Office eingesetzt. Die Lizenzen der aktuellen Version 2003 wurden in den Jahren 2002–2005 zu einem Stückpreis von durchschnittlich Fr. 390.– beschafft. Die Software steht nicht unter Wartung und wird voraussichtlich bis ins Jahr 2013 genutzt. Wenn von einer Nutzungsdauer von acht Jahren ausgegangen wird, betragen die Lizenzkosten rund Fr. 220’000.– pro Jahr (Fr. 48.90 pro Jahr und Arbeitsplatz).

 

„d)     Datenbankserver“

Die zu betreibende Applikation bestimmt in der Regel das einzusetzende Datenbanksystem, meistens werden vom Hersteller klare Vorgaben gemacht, eine freie Wahlmöglichkeit ist eher selten.

 

Im Rechenzentrum der KAI werden rund 600 Microsoft SQL-Server Datenbanken, rund 75 Oracle Datenbanken (meist grössere Anwendungen) und rund 100 MySQL Datenbanken (Open Source, meist sehr kleine Anwendungen) betrieben.

 

Microsoft-SQL-Server Datenbanken werden in der Regel prozessorbasierend lizenziert. Der Update-Service innerhalb der Hauptversion ist kostenlos. Neue Hauptversionen werden im Schnitt alle vier Jahre von Microsoft hergestellt, welche dann wieder neu beschafft werden müssen. Die Beschaffung erfolgt immer bedürfnisgerecht und zeitlich gestaffelt. Pro Jahr werden Fr. 150’000.– bis 200’000.– für neue Lizenzen ausgegeben.

 

Oracle: Oracle-Lizenzen werden einmal beschafft und dann durch eine wiederkehrende jährliche Wartungsgebühr aktuell gehalten. Ein Wechsel auf eine neue Hauptversion verursacht keine weiteren Kosten. Die jährlichen Wartungsgebühren für sämtliche Oracle-Lizenzen in der kantonalen Verwaltung belaufen sich auf rund Fr. 600’000.–.

 

MySQL, PostgreSQL (OpenSource): Diese Datenbanken sind kostenlos und verursachen bis anhin keine jährlichen Wartungs- oder Supportkosten.

 

„e)     Server-Dienste (Webserver, Mailserver, Groupware-Systeme usw.)“

Im Bereich Webserver-Dienste werden zwei proprietäre Microsoft Internet Information Server (IIS) und 20 Open Source-Apache-Systeme eingesetzt. Der Microsoft IIS muss nicht separat lizenziert werden, da er ein Bestandteil des Serverbetriebssystems ist. Die Mailserver-Dienste werden einheitlich mit Microsoft Exchange Server betrieben. Die benötigten Lizenzen für 8 Server und 4’500 Benutzer wurden zu einmaligen Kosten von Fr. 340’000.– beschafft. Bei einer voraussichtlichen Nutzungsdauer von sieben Jahren ergeben sich jährlich rund Fr. 50’000.– Lizenzkosten (Fr. 11.10 pro Arbeitsplatz und Jahr).

 

 

„f)      Weitere Software, für die es Open-Source-Alternativen gibt, zum Beispiel Content-Ma­nagement-Systeme, Verschlüsselungssoftware, Datenkompressionsprogramme usw.“ 

Im Kanton Aargau werden die folgenden Open Source-Produkte bereits erfolgreich eingesetzt (Auswahl):

  • Webserver und Messaging: Apache httpd, Apache ActiveMQ, Firefox
  • Skriptsprachen: PHP, Ruby, Python, Perl, RubyOnRails
  • Betriebssysteme: SuSELinux Enterprise Server, OpenSolaris
  • Serversystem Identity Management: Sun OpenSSO
  • Programmierumgebungen: Eclipse, Netbeans, Subversion, Java
  • Applikationsbetrieb: Tomcat, Nagios
  • Datenbanken: MySQL, Postgresql

 

Zur Frage 4

„Ist der Regierungsrat bereit, im Hinblick auf einen möglichen Umstieg auf Open-Source-Lösungen erfolgreiche Beispiele aus anderen Kantonen konkret zu prüfen und sich vor Ort einen fundierten Überblick über die möglichen Chancen und Grenzen von Open Source in Verwaltungen zu verschaffen?“

Generell besteht im Kanton Aargau eine grosse Offenheit gegenüber dem Einsatz von Open Source-Produkten. Heute werden insbesondere im Web-Bereich bereits verschiedenste Open Source-Technologien eingesetzt. Leider ist ein sinnvoller Einsatz dieser Technologien durch die vorhandenen verknüpften (proprietären) Technologien nicht immer problemlos möglich.

Der Regierungsrat ist mit der kantonalen Informatik hinsichtlich des Einsatzes von Open Source-Produkten im stetigen Austausch – auch im Rahmen der Schweizerischen Informatikkonferenz (SIK) – mit anderen Kantonen. Dabei werden fallweise im Sinne eines Benchmarking auch konkrete Beispiele eingeführter Open Source-Lösungen geprüft und mögliche
Lösungsansätze für bestehende Fragestellungen evaluiert.

 

Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1’871.–.

 

 

REGIERUNGSRAT AARGAU